Die Gemeinde Jesu war zu allen Zeiten großen Versuchungen ausgesetzt, und die Geschichte lehrt uns, wie immer wieder Irrtümer und Irrlehren ihre verheerenden Spuren hinterließen.
Es gab Zeiten, da war die konstituierte Gemeinde Jesu nur noch auf „Restbestände“ beschränkt.
Allerdings gab es in den fehlentwickelten Strukturen, wie ich die Großkirchen und auch Sekten der nachapostolischen Zeit nennen möchte, auch immer noch gottesfürchtige und wohlmeinende Menschen, die wir aus der wahren Ecclesia des Christus nicht ausklammern dürfen.
Sie waren gleichsam das Gewissen jener Gebilde. Ihnen wurde nicht nur allenthalben widersprochen, sondern viele von ihnen wurden wegen ihrer aufrichtigen Glaubenshaltung verfolgt und umgebracht.
In den ersten Jahrhunderten gab es einen großen Mangel darin, dass es lediglich Handschriften der Bibel gab, die sich nur Kirchenführer und der reiche Adel leisten konnten, und dass die Mehrheit des Volkes weder lesen noch schreiben konnte. Die meisten Christen lebten „auf geistlicher Sparflamme“. Sie mussten mit dem vorliebnehmen, was ihnen gepredigt wurde. Und davon war das meiste noch in lateinischer Sprache, was ohnehin der Laie nicht verstanden hat. Doch Gott kennt die Herzen und „den Aufrichtigen lässt er es gelingen“.
Reformation und Erneuerung kamen nur dort nachhaltig zum Durchbruch, wo den Christen der Zugang zum Worte Gottes verschafft wurde. Dies wusste Martin Luther, und Gott selbst brachte ihn in eine Situation, die es ihm erlaubte, die Bibel in die deutsche Sprache zu übersetzen.
Aber auch Erneuerungen vor Luther, wenn auch in einem kleineren Ausmaß, konnten nur dadurch geschehen, weil einer größeren Gruppe von Menschen die Wahrheiten der Bibel bekannt wurden. Am Anfang der Waldenser-Bewegung ließ Petrus Waldus für sich die Bibel übersetzen. Erneuerungen in England gehen darauf zurück, dass John Wycliff die Bibel in seine Muttersprache übertrug.
Von Anfang an war es dem Satan ein „Dorn im Auge“, wenn Menschen Zugang zu Gottes Wort bekamen. Er brachte es fertig, dafür zu sorgen, dass die Katholische Kirche, welche die Bibel im vollen Umfang hatte, diese dem Kirchenvolk vorenthielt. Für Jahrhunderte war es unter Strafe, ja sogar unter Todesstrafe dem Laien untersagt, eine Bibel zu besitzen. Wenn man den Lebenswandel des größten Teils der Geistlichkeit betrachtet, wie er durch die Geschichte eindeutig belegt wird, dann muss man sich darüber nicht wundern.
„Gottes Wort kommt nie leer zurück und richtet aus, wozu es gesandt wird“ (Jes. 55,11). – „Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HErr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?“ (Jer. 23,29).
Sie waren alle gegen Gottes Wort, die scheinbar frommen und die Gottlosen, alle, die, wie man so schön sagt: „Dreck am Stecken“ hatten. Gottes Wort ist auch ein trefflicher Spiegel. Und in den wollten weder die ungehorsamen Frommen noch die gottlosen Machthaber blicken. Diese altbekannte Tatsache ist ein Indiz mehr für die Wahrheit der Bibel.
Des Teufels Strategie war und ist immer dieselbe: Dort, wo er Gottes Wort vernichten kann, tut er es. Wo er es nicht kann, versucht er, dieses zu beugen und zu verdrehen. Er ist auch dazu in der Lage, als ein „Engel des Lichtes“ aufzutreten, auf den die Unwachsamen hereinfallen. Paulus schreibt an die Korinther folgende Worte: „Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter und verstellen sich als Apostel Christi. Und das ist auch kein Wunder, denn er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel des Lichtes. Darum ist es nichts Großes, wenn sich auch seine Diener verstellen als Diener der Gerechtigkeit; deren Ende wird sein nach ihren Werken.“ (2. Kor. 11,13-15).
Da mag unsere Phantasie getrost durch die Geschichte und auch durch unsere Tage eilen; wenn wir in Gottes Wort gegründet sind, erkennen wir diese Sorte Leute sehr schnell.
In den sieben Sendschreiben an die Gemeinden Kleinasiens, in der Offenbarung des Johannes, lesen wir von insgesamt zwölf Überwinder-Verheißungen. Immer wieder heißt es: „Wer überwindet, der wird empfangen.“ Aber diese Verheißungen beziehen sich auf die ewige Herrlichkeit. Sie sind Lohn für treues Ausharren hier in dieser Welt; Lohn, der droben gegeben wird. Es gibt aber eine ganz wichtige Verheißung, die auf das Diesseits bezogen ist und die, wenn man es richtig betrachtet, eine Voraussetzung dafür ist, die „himmlischen Verheißungen“ einmal bekommen zu können. Es ist die Verheißung an die Gemeinde in Philadelphia.
Es ist gewiss nicht nur ein Wortspiel, dass Philadelphia übersetzt „Bruderliebe“ bedeutet und dass gerade diese Gemeinde unter den sieben die einzige ist, die ungeteiltes Lob ausgesprochen bekommt.
Aber wir können auch sehen, dass diese Gemeinde nicht nur in brüderlicher Liebe geübt war, sondern auch eine große Liebe zu ihrem Herrn und Heiland Jesus Christus hatte. Johannes sagt es so: „Wer aber Sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in Ihm sind.“ (1. Joh. 2,5).
Jesus lässt durch Johannes der Gemeinde in Philadelphia sagen: „Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen.“ (Offb. 3,10 nach der revidierten Luther-Übersetzung von 1984). Die Linearübersetzung drückt es so aus: „Weil du bewahrt hast mein Wort vom geduldigen Ausharren …“ Die DaBahR-Übersetzung aus dem Codex Sinaiticus sagt es so: „Da du hütetest das Wort meines Untenbleibens …“ was vielleicht auch bedeutet: Das Wort meiner Erniedrigung, meines Leidens und Sterbens zur Erlösung der Menschen.
Vielleicht könnte man es auch in paulinischer Weise so ausdrücken: „Weil du das Wort vom Kreuz, das anderen eine Torheit ist, festgehalten hast, will ich dafür sorgen, dass es dir zur Gotteskraft wird.“ (Eigenwilliger Einschub des Verfassers zum besseren Verständnis).
Jede dieser Ausdrucksweisen und Interpretationen stimmen. Doch die wesentliche Aussage in allen Übersetzungen ist die: „Du hast mein Wort bewahrt, du hast es gehütet, du hast daran festgehalten!“
Es gibt Stunden der Versuchung und es gibt die Stunde der Versuchung. Zu allen Zeiten waren die Gläubigen Stunden der Versuchung ausgesetzt und sind dies auch heute noch. Das erlebt der Einzelne, das erleben ganze Gemeinden, das erleben Kirchen und Verbände. Ich bin davon überzeugt, solche Versuchungen werden immer entsprechend unseres Glaubensstandes überwunden oder auch nicht überwunden. Wir können es nicht vermeiden, in Versuchungen hinein zu geraten, aber wir können uns gemäß der Verheißung an Philadelphia sehr wohl vorsehen. Wenn wir in Gottes Wort gegründet sind und auch bereit, danach zu handeln, dann dürfen wir ein Ende solcher Versuchung erwarten und Bewahrung erleben. Der Geist Gottes hilft uns dabei.
Die örtliche Gemeinde Philadelphia besteht schon lange nicht mehr. Längst beherrscht der Islam die Menschen dieser Region. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Gemeinde der damaligen Generation Bewahrung in ihrer Zeit erlebt hat. Jesus hatte ihr sagen lassen: „Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet: Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“ (Offb. 3,8-9).
Aber der weiter oben erwähnte zehnte Vers deutet auch weit über das Dasein jener Gemeinde zu Philadelphia hinaus, von der wir wissen, dass sie heute nicht mehr existiert. Für spätere Generationen und auch für uns wurde diese Gemeinde zu einem Beispiel. Haben wir die Philadelphia-Gesinnung? Dann ist Gottes Bewahrung mit uns!
Nun spricht der zehnte Vers aber nicht nur von Stunden der Versuchung, sondern er sagt wörtlich: „… vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen.“
Wer die Geschichte kennt, weiß, dass es Generationen gab, die glauben mussten, „diese Stunde der Versuchung“ sei gekommen. Und für sie war es gewiss auch diese Stunde. Denken wir an das Auftreten des „Propheten Mohammed“. Der Islam fegte fast alle Christengemeinden aus Kleinasien und aus Nordafrika hinaus. Dies war ein gewaltiger Schock für die so genannte Christenheit jener Tage. Und ganz gewiss war es auch ein Gericht Gottes über sie. Dreihundert Jahre zuvor fiel der größte Teil der Gemeinden einer Versuchung anheim, die damit verbunden war, dass man das Christentum zur Staatsreligion erhoben hatte. Jetzt wurden nicht mehr die Christen von den Heiden verfolgt, jetzt verfolgte das, was sich „christliche Kirche“ nannte, die Heiden. Es entstanden Kirchengebilde, die immer weiter von der urchristlichen Lehre und Gemeinde abwichen. Man glaubte, die allein wahre und allein selig machende Kirche zu sein, und merkte nicht, wie die Wesenszüge immer sektenhafter wurden. Denn im Sinne des Neuen Testamentes sind christliche Sekten solche, die sich in wesentlichen Stücken von der Wahrheit des Wortes Gottes entfernen. Durch diese Verblendung waren die fürchterlichen Ketzerverfolgungen möglich, die durch Jahrhunderte andauerten. Stunden der Versuchung für eine abgefallene Kirche, aber auch Stunden der Versuchung für die wahren Gläubigen, deren Standhaftigkeit geprüft wurde.
Aber was immer auch in der Geschichte geschah und was immer auch heute noch geschieht: Die Stunde der Versuchung, von der in Vers 10 gesprochen wird und die über den ganzen Weltkreis kommen wird, sie ist noch Zukunft. Es wird die Stunde aller Stunden sein. Die Versuchung wird globale Ausmaße haben. Es wird eine „ökumenische Versuchung“ sein, die den ganzen bewohnten Erdkreis erfassen wird. Hier spricht der Herr Jesus über das Auftreten des Antichristen, von dem im weiteren Verlauf der Offenbarung geweissagt wird.
Wir müssen das Wirken dieses Antichristen in zwei Teilen sehen: a) die Zeit, in der er emporkommt und b) die Zeit seiner uneingeschränkten Herrschaft über die Völker der Erde.
Das Letztere ist klar gesagt: Er wird 42 Monate, also 3 ½ Jahre herrschen und dann vernichtet werden. Und wir haben Grund zu der Hoffnung, dass die Gemeinde Jesu während dieser 42 Monate nicht mehr in dieser Welt sein wird.
Die Zeit seines Emporkommens ist uns nicht gesagt. Wir müssen aber davon ausgehen, dass eben in dieser Zeit für die Gemeinde Jesu die Stunde der Versuchung kommen wird. Im fünften Siegel der Offenbarung lesen wir noch einmal über eine große Verfolgung: „…bis vollzählig dazukämen ihre Mitknechte und Brüder, die auch noch getötet werden sollten wie sie.“ (Offb. 6,12).
In diese - erweiterte - Zeit fällt auch der „große Abfall“, von dem die Bibel berichtet. Eine ernste Warnung an uns alle, denn „abfallen kann nur das, was dran ist“. Oder stehen wir vielleicht schon im Vorfeld dieses Abfalls?
Auf der einen Seite wird das Evangelium nochmals allen Völkern verkündigt (auch eine Endzeitverheißung) und es finden große Erweckungen in den Ländern der so genannten „Dritten Welt“ statt. Andererseits pervertieren große Teile der Gemeinde in den Ländern der so genannten „Ersten Welt“, also Westeuropa und Nordamerika. Wann beginnt diese Stunde der Versuchung? Gewiss nicht erst dann, wenn auch bei uns wieder Christen verfolgt und gar umgebracht werden. War unsere Wohlstandsgesellschaft der letzten 60 Jahre für viele Gläubigen nicht auch „Stunde der Versuchung“ gewesen? Ist es nicht leidvoll zu sehen, wie viele diesen Versuchungen erlegen sind und sie sind heute nicht mehr mit dabei? Ich gehe davon aus, dass alle örtlichen Gemeinden diese Tatsache bezeugen können.
Stunde der Versuchung über das, was christlich ist und über das, was sich christlich nennt! – Man hat weithin das „Wort“ aus der Mitte genommen. Ja, man hat Jesus aus der Mitte genommen. Was übrig bleibt ist Bibelkritik, und die geht schon bis in die Freikirchen hinein.
Für viele Theologen ist Christus mehr oder minder ein Mythos. Mithin ist auch die Bibel letztendlich nur noch eine Sammlung von Mythen, zwischen denen anerkannter Weise noch soziale und humanitäre Elemente zu finden sind, die es wert zu sein scheinen, dass man sich auf sie beruft: Siehe Bergpredigt.
Was kann man da gegen unsere Obrigkeit im Staat sagen, auch gegen jene, die noch das „große C“ im Schilde führt, wenn selbst weite Teile der Kirchen dem, dessen Namen sie noch tragen, die Gefolgschaft verweigern? Alle Probleme, mit denen sich Politiker und Gesellschaft in unseren Tagen abmühen, werden in der Bibel prophetisch genannt. Und man kann auch die Warnung herauslesen, dass es der Mensch selbst sein wird, der diese Probleme und Katastrophen im Wesentlichen herbeiführt. Nur – wer liest die Bibel, wer richtet sich nach ihr, wer nimmt sie ernst?
Die dunklen Sprüche eines Nostradamus geistern immer wieder durch die Lande, sie sind ja auch so „geheimnisvoll“, und doch versteht sie keiner. Die klaren Aussagen der Bibel, besonders jene zu den Problemen unserer Zeit, werden nicht beachtet. Entsprechend wird auch das Resultat am Ende sein.
Gemeinde Jesu in unseren Tagen ist mehr denn je dazu aufgerufen, sich in Gottes Wort zu gründen. Nur so werden wir den vorhergesagten falschen Propheten nicht auf den Leim kriechen und nur so werden wir, wie Philadelphia, bewahrt bleiben vor der Stunde der Versuchung, die, anders als früher, jetzt über den gesamten Kreis der Erde kommen wird.
Dieses Bewahrtbleiben muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass solche Gläubigen keine Verfolgungen erleiden müssten. Wir sind gewiss nicht besser als die Apostel, die bis auf Johannes alle umgebracht wurden, und wir sind auch nicht besser als die Millionen von Zeugen nach ihnen, die um Jesu willen sterben mussten. Vielleicht bedeutet für uns die Bewahrung, dass wir standhaft bleiben, dass wir nicht verleugnen und so auch nicht von Jesus abfallen. Der Gemeinde zu Smyrna wird gesagt: „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ (Offb. 2,10).